Dienstag, 27. Mai 2014

Ich bin zurück

Ich gebe zu: So einfach ist das mit dem regelmäßigen Mentaltraining nicht. Im Gegenteil, es ist sogar wirklich schwierig. Für mich zumindest. Ähnlich schwierig, wie einen Blog regelmäßig mit Leben zu füllen. Da habe ich im letzten Jahr auf ganzer Linie versagt.

Versagen - auch ein schönes Thema, mit dem ich mich mal mental beschäftigen könnte. Aber nicht jetzt. Für den Wiedereinstieg ist mir das zu negativ. Nicht, dass mir die Lust - auf Mentaltraining und auf Bloggen - wieder so schnell vergeht wie beim lezten Mal.

Aber "Aufgeben zählt nicht", heißt es ja immer so schön. Also nehme ich einen neuen Anlauf. Fürs Mentaltraining und fürs Bloggen.

Auslöser ist, dass ich mich einer völlig neuen Herausforderung stelle. In erster Linie einer sportlichen. Aber ich bin mir sicher, dass ich bei dieser sportlichen Herausforderung nicht ohne einen starken Kopf auskommen werde. Deswegen will ich mich in den nächsten Monaten nicht nur um meine Waden und Oberschenkel kümmern - die sind zur Zeit gefühlt eh stärker denn je -, sondern eben auch um meinen Kopf und meine Gedanken.

Damit das 24h-Radrennen am Nürburgring für Chrissie und mich zum Erfolg wird!

PS: Auch wenn ich nicht regelmäßig geübt habe, der Tiger lebt noch! Den Winter hat er gut überstanden und das Niveau vom Test kann ich eigentlich immer abrufen - im Training und im Wettkampf. Darauf lässt sich doch aufbauen.

Freitag, 26. Juli 2013

Der Test

Der erste Wettkampf, bei dem ich meinen Tiger frei lassen wollte, war ein Sprint am Hennesee. Da wegen meiner verletzungsbedingten Trainingspause keine physischen Höchstleistungen zu erwarten waren, wollte ich zumindest mentale Höchstleistungen abrufen.

Geschwommen bin ich tatsächlich wie ein Tiger. Zum ersten – und vermutlich letzten - Mal in meinem Leben, kam ich als erste Frau aus dem Wasser. Ich muss allerdings zugeben: Das lag eher an der Konkurrenz, denn an meiner außerordentlichen sportlichen Leistung. An Cha-Cha habe ich im Wasser nämlich nicht einmal gedacht. Stattdessen an die Arme und Beine der anderen Athleten in meinem Gesicht, an die roten Bojen am Horizont, die von den roten Badekappen der schnelleren Schwimmer eigentlich nicht zu unterscheiden waren. Irgendwo dazwischen lag auch noch meine verzweifelte Bemühung, geradeaus und womöglich auch noch schnell zu schwimmen. Am Ende noch eine finale Tempoverschärfung bis zum Ausstieg. Für ein „Chaka, Cha-Cha!“ hatte ich im Wasser einfach keine Zeit.

Auf dem Rad lief es – psychologisch gesehen - ein bisschen besser. Zwar forderten auch da kurvige Abfahrten meine volle Aufmerksamkeit, aber zumindest in den zu den Abfahrten führenden Anstiegen konnte ich den Tiger loslassen. Das klappte aber eigentlich auch nur halbwegs gut. Vom relativ langen Ablauf (Schalter, Bild, Spruch, Bild), den ich trainiert hatte, ist fast nur der Spruch übrig geblieben. Wirklich gespürt habe ich den Tiger nicht, ein bisschen schneller bin ich durch die Selbstanfeuerung aber trotzdem geworden.

Beim abschließenden Lauf lief es ähnlich, wobei ich da immerhin die Leichtfüßigkeit des Tigers hin und wieder für ein paar Meter auf den Asphalt gebracht habe. Da hat mein Vorstellungstraining also sogar eine technische Verbesserung bewirkt. Und der Hitze konnte ich trotzen, indem ich mir dachte „In der Savanne ist es auch warm. Den Tiger stört das nicht“. Das hat gut funktioniert.

Erkenntnis des Tages: So wie man physische Form nicht in vier Wochen aufbauen kann, geht das auch mit der mentalen Stärke nicht. Fortschritte sind zu erzielen, aber eben keine Höchstleistungen.

Donnerstag, 20. Juni 2013

Chaka, Cha-Cha!

Die letzten Wochen habe ich mit zwei Dingen verbracht: Zum einen habe ich einiges über Tiger gelernt und mein Bild so immer mehr konkretisiert. Zum anderen habe ich Vorstellungstraining betrieben. In allen möglichen Situationen – auf der Couch wie im Training – habe ich mir zunächst meinen Tiger vorgestellt, dann mich selbst als Tiger und schließlich mich als Tiger im Wettkampf.

Aber der Reihe nach. Was habe ich alles über Tiger gelernt?

  • Durch seine Stärke, Größe und Gewandtheit hat der Tiger die Menschen seit Urzeiten beeindruckt. Mich jetzt auch!
  • Tiger sind sehr gute Schwimmer. Im Gegensatz zu anderen Katzen wie Löwen oder Leoparden gehen sie sehr gerne ins Wasser und schwimmen ausgezeichnet. Diese Eigenschaft muss ich mir zu eigen machen, die kann ich gut gebrauchen!
  • Tiger sind angriffslustig, pirschen sich an und überwältigt dann ihre Beute. Wie ich – natürlich nur im Wettkampf!
  • Tiger gehen bei der Jagd bis an ihre Grenzen und darüber hinaus. Genau, was ich will!

Also will ich im Wettkampf zum Tiger werden. Ich schlüpfe in eine Rolle. Ich habe meinem Tiger (ergo mir) einen Namen gegeben: Cha-Cha. Ich habe ihm einen Anfeuerungsruf kreiert: Chaka, Cha-Cha! Ich habe mir einen Song gesucht, der meine Wettkampfmusik wird: Eye of the Tiger.

Damit sich das Bild dieses Tigers in meinem Kopf festigt, gewähre ich ihm Eintritt in meinen Alltag. Ich habe meinen PC-Bildschirmhintergrund gewechselt: Ab sofort springt mich ein Tiger an. Das Vorstellungstraining betreibe ich so oft ich kann: vermehr auch in Situationen, in denen meine eigentliche Aufmerksamkeit etwas anderem gilt. Ich spiele Tiger im Training: und es funktioniert.

Inzwischen hat sich der Ablauf eingespielt. Ausgelöst durch meinen Schalter – den lackierten Fingernagel –, denke ich „Hallo Cha-Cha!“. Dann sehe ich Cha-Cha: die Streifen, die Augen, vor allem aber die starken Arme und Beine und den kraftvollen Körper. Cha-Cha steht im Gras, angespannt, in Lauerstellung. Dann denke ich: „Chaka, Cha-Cha!“ und blase zum Angriff. Ich spüre die großen, kraftvollen Schritte. Ich spüre gleichzeitig die Leichtigkeit, mit der Cha-Cha über den Boden rennt. Ich spüre den Jagdtrieb, mit dem Cha-Cha seiner Beute nachsetzt. Und ich spüre, wie er sie kriegt. Ich bin Cha-Cha und ich gebe Vollgas!

So kaputt, wie gestern nach dem Intervalltraining auf dem Rad inklusive Tiger-Visualisierung, war ich noch selten. Reserven? Keine Vorhanden. Ziel erreicht – fürs erste!

Mittwoch, 12. Juni 2013

Der Tiger

Nachdem der Schalter feststand, galt es zu überlegen, was er eigentlich auslösen soll. Oder besser, wie er auslöst, was er auslösen soll. Denn dass das Schalterumlegen zu einer Runde Vollgas führen sollte, soweit waren wir ja schon. 

Unser Plan war es, in meinem Kopf eine positive Assoziation zu wecken, die mich in besonderer Weise motiviert. Dazu setzte ich mich zu allererst hin und erinnerte mich. Ich erinnerte mich an einen Triathlon, bei dem es besonders gut gelaufen war. Das war einfach, denn der lag gerade einmal drei Tage zurück.

Wie ging es mir während des Wettkampfs? Was habe ich gefühlt? Was gehört? Was gerochen? Was habe ich gedacht? Ich schuf mir ein möglichst konkretes Bild im Kopf. Dieses Bild, geknüpft an einen Spruch, sollte mein Schalter auslösen – und ich dann sozusagen auf Kommando Vollgas geben. 

„Hey Schatten, dir fahr ich davon“ lautete mein Motto – waren das doch genau die Gedanken, die ich während dieses guten Wettkampfs zuletzt wirklich kurzzeitig gehegt hatte. Die positiven Erinnerungen – und damit die Extraportion Motivation – sollten so doch geradezu von selbst in meinen Kopf fliegen. Hätte man denken können. 

Aber so richtig funktioniert hat es vom Start weg nicht. Weder beim Vorstellungstraining auf der Couch, noch bei den ersten Umsetzungsversuchen im Training. Der Satz ist undynamisch, steif, langsam. Allessamt keine Adjektive, die ich mit mir verknüpft sehen will. Nach der anfänglichen Begeisterung stand deswegen schnell fest: Der Satz gefällt mir nicht, er funktioniert nicht, ich  brauche etwas anderes. 

Wir haben deswegen weiter gegrübelt und getüftelt. Wir haben uns ein wenig von der Realität entfernt – weil seinem Schatten davon zu fahren ja so realistisch ist :-) – und abstrakte Ideen zugelassen. Wir haben ein wenig gesponnen – und entwickelten eine Vorstellung, die mich von Anfang an überzeugte:

Ich werde zum Tiger.

Der Tiger ist schnell, stark und ausdauernd. Er ist intelligent und anpassungsfähig. Und er legt sich eine Taktik zurecht, bevor er angreift. All das gefällt mir und passt zum Triathlon, wie es besser kaum geht. In Zukunft soll deswegen dieses majestätische Tier meine Identifikationsfigur werden. Wie genau? Mal sehen. Auch, ob ich ab jetzt immer Kellogg‘s Frosties (die wecken den Tiger in dir) vor dem Wettkampf essen werde.

Mittwoch, 5. Juni 2013

Der Schalter

Ich habe gelernt: Ich brauche einen Schalter. Der Schalter soll nichts anderes sein als ein Auslöser, um mich im Wettkampf an Gelerntes zu erinnern. Am Ende soll es so laufen, dass ich immer, wenn ich im Wettkampf den Schalter betätige, richtig Vollgas gebe. Je öfter mir das im Laufe eines Wettkampfs gelingt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Ziel keine Leistungsreserven mehr übrig sind – mein Ziel wäre erreicht. 

Was also könnte als Schalter fungieren? Mein bisher meistgenutzter Schalter ist mein Freund. Wenn der am Streckenrand steht und mich anfeuert, kann ich in der Regel Reserven mobilisieren und zumindest kurzfristig an Tempo zulegen. Nun schafft es aber selbst mein Freund nicht, auf jedem Teil der Strecke als potentieller Schalter zur Verfügung zu stehen. Also muss mein Schalter so konzipiert sein, dass ich ihn wirklich zu jeder Zeit eines Wettkampfs betätigen kann.

Wir waren uns einig, dass mein Schalter am besten ein optisches Signal ist. Ein Aufkleber auf dem Lenker zum Beispiel. Oder ein Armband, das beim Laufen regelmäßig in mein Blickfeld tritt. Aber was könnte es beim Schwimmen sein? Und außerdem: drei verschiedene Schalter, die aber alle das Gleiche auslösen sollen? Hm…

Am Ende entschied ich mich, den Nagel meines linken Daumens schön auffällig zu lackieren. Beim Laufen sollte mir das ins Auge springen, auf dem Auflieger liegend sowieso und ich habe sogar ein wenig Hoffnung, dass der an mir ungewohnte Farbtupfer beim Schwimmen das ein oder andere Mal die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Und dann muss es heißen: Schalter entdeckt, Schalter umgelegt und einmal Vollgas bitte. Aber dazu beim nächsten Mal.

Für jetzt ist er erst einmal gefunden, mein Schalter.

Mittwoch, 29. Mai 2013

Das Ziel

Da saßen wir also zusammen und redeten. Nein, wir coachten natürlich. Wir, das waren meine zwei Coaches Ida und Jasmin und ich.

Bei unserem ersten Treffen galt es, mein persönliches Projektziel zu finden. Dazu mussten wir erst einmal ein Thema finden. Oder anders formuliert: Ein Problem musste her.

Ich begab mich dazu auf eine kleine Selbstfindungsreise. Ich stellte mich und mein Sportreiben vor und charakterisierte mich. Wie viel trainiere ich? Wie gut gelingt mir die Integration des Trainings in den Berufsalltag? Wie ehrgeizig bin ich? Was kann ich gut, was weniger? Wo liegen meine Stärken, wo die Schwächen? Wo schlummern Potenziale? Ziemlich interessant, sich darüber mal Gedanken zu machen!

Am Ende habe ich mich in einem Satz zusammengefasst:

Schwach in den Armen, stark im Kopf.

Soll heißen: Ich bin mir der Kraft der Psychologie im Sport bewusst, experimentiere gerne mit kleinen Psychotricks und ziehe durchaus Vorteile aus mentalen Techniken. Mit meinen zurechtgelegten Tricks und Taktiken bin ich zuweilen dem einen oder anderen Gegner einen Schritt voraus. Bilde ich mir zumindest ein.

Und die Schwächen? Ich habe schwache Arme: Schwimmen ist meine schwächste Disziplin. Aber wir wollten das Coaching ja nicht mit Hantelstemmen verbringen.

Was also noch? Im Gegensatz zu 1:1-Duellen mit dem Gegner Schulter an Schulter, in denen ich sehr kampfstark bin, habe ich das Gefühl, dass ich während der meisten Zeit des Wettkampfs noch Leistungsreserven habe - aber nicht drankomme. Aha, da haben wir doch ein Problem!

Aber: Eigentlich wollen wir ja kein Problem heraufbeschwören, sondern wir wollen eines lösen. Also brauchen wir ein Ziel, und zwar ein smartes:

S - spezifisch
M - messbar
A - ambitioniert
R - realistisch
T - terminiert


Aus dem ganz unkonkret und salopp formulierten Ziel "Ich will es schaffen, mich im Wettkampf wirklich richtig auszukotzen" wurde so das smarte Ziel: 

Ich will eine Methode entwickeln, mit der ich während eines Wettkampfs möglichst oft und lange an meine Leistungsgrenze komme, um im Ziel das Gefühl zu haben, wirklich alles gegeben zu haben.

Montag, 13. Mai 2013

Das Projekt

Am Anfang war da die Anfrage einer Freundin, die gerade an der Deutschen Sporthochschule studiert: "Hättest du Lust, an einem Sportpsychologie-Projekt teilzunehmen und dich von mir coachen zu lassen?"
 

Ich habe keine zwei Minuten überlegt: Klar hatte ich Lust!
 

Ich glaube ja von mir selbst, dass meine psychologische Trickkiste für Training und Wettkampf schon ganz gut bestückt ist. Aber eine "Waffe" mehr - um es einmal etwas martialisch zu formulieren - kann nie schaden.

Also habe ich zugesagt, ohne genau zu wissen, was mich erwartet. Vier Sitzungen in vier Wochen, das war klar. Das Thema? „Stimmen wir mit dir ab“, war die Ansage. Na dann, suchen wir uns doch mal ein Problem, damit es was zu "therapieren" gibt.